Abend wird's, des Tages Stimmen schweigen,
Röter strahlt der Sonne letztes Glühn;
Und hier sitz ich unter euren Zweigen,
Und das Herz ist mir so voll, so kühn!
Alter Zeiten alle treue Zeugen,
Schmückt euch doch des Lebens frisches Grün,
Und der Vorwelt kräftige Gestalten
Sind uns noch in treuer Pracht erhalten.

 

Viel des Edlen hat die Zeit zertrümmert,
Viel des Schönen starb den frühen Tod;
Durch die reichen Blätterkränze schimmert
Seinen Abschied dort das Abendrot.
Doch, um das Verhängnis unbekümmert,
Hat vergebens euch die Zeit bedroht,
Und es ruft mir aus der Zweige Wehen:
Alles Große muss im Tod bestehen.

 

Und ihr habt bestanden! Unter allen
Grünt ihr frisch und kühn mit starkem Mut.
Wohl kein Pilger wird vorüberwallen,
Der in eurem Schatten nicht geruht.
Und wenn herbstlich eure Blätter fallen,
Tot auch sind sie euch ein köstlich Gut;
Denn verwesend werden eure Kinder
Eurer nächsten Frühlingspracht Begründer.

 

Schönes Bild von alter deutscher Treue,
Wie sie bessre Zeiten angeschaut,
Wo in freudig kühner Todesweihe
Bürger ihre Staaten fest gebaut.
Ach, wie hilft's, dass ich den Schmerz erneue?
Sind doch alle diesem Schmerz vertraut!
Deutsches Volk, du herrlichstes von allen,
Deine Eichen stehn, du bist gefallen.

 

Anonym

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