Dort, wo die klaren Bächlein rinnen,

Sah ich von fern ein Hüttchen stehn.

Dort wohnt von allen Schäferinnen

Die schönste, die ich je gesehn.

Und böte man mir Geld und Krone,

So dächt ich doch in meinem Sinn :

Im Hüttchen möcht ich lieber wohnen,

Dort bei der schönen Schäferin.

 

Treibt sie beim frühen Morgenschimmer

Die zarten Lämmlein in den Hain,

So denkt mein armes Herz nur immer :

Ach, könnt ich doch ihr Schäfer sein !

Und emsig nehm ich meine Flöte,

Schleich hinter ihrem Schatten her ;

Und wenn man mir dem Himmel böte,

Nach Hause ging ich nimmermehr.

 

Und wenn des Nachts die Sterne blinken

Und jedes Blatt im Haine ruft,

Dann lässt sie ihren Schleier sinken

Und taucht sich in die warme Flut.

Wie gerne möcht ich sie belauschen,

Doch wage ich nicht hinzugehn,

Denn ach, es könnt ein Blättchen rauschen

Und nie dürft ich sie wieder sehn.

 

Oft tut sie mir im Traum erscheinen,

Oft drückt sie mir im Traum die Hand,

Da muss ich wieder einsam weinen,

Wenn ich beim Wachen sie nicht fand.

O könnt ich ihr mein Leiden klagen,

Gewiss, ich sagte ihr alsdann,

Warum mein Herz für sie tut schlagen,

Mein Geist nur an sie denken kann.

 

Und wenn des Nachts die Sternlein funkeln,

Schlich ich mich gern zum Fensterlein

Und riefe leis: « Mach auf im Dunkeln

Und lasse mich zum Hüttchen ein ! »

Doch nein ! Sie könnte es ja hören,

Mein leises Klopfen an der Tür,

Und das möcht sie im Schlummer stören,

Drum bleib ich lieber einsam hier.

 

Anonym

 Anonym