Es stand auf hohen Bergen
eine alte Burg am Rhein.
Sie lud den müden Pilger
von weitem zu sich ein.

 

Um jede Mittagsstunde
trat aus dem Gittertor
ein schönes, holdes Fräulein
im schwarzen Gewand hervor.

 

Es kannten viele Arme
die Stunde und den Ort:
Die Maid gab reiche Spenden,
sie gab ein tröstend Wort.

 

Einst sah sie an der Pforte
ein'n jungen Pilgersmann.
Sie begegnet seinem Blicke,
sie meint, er fleh' sie an.

 

Doch von den vielen Gaben
war schon die Tasche leer;
sie sucht und sucht und findet
nicht einen Heller mehr.

 

Wohl trägt sie auf dem Busen
der Jungfrau holdes Bild.
Sie reicht es hin dem Pilger
und lächelt himmlisch mild.

 

Das Fräulein bebt wie Espen,
sie senkt den schüchtern Blick:
sie eilt ins Schloss, doch zieht es
sie wieder bald zurück.

 

Der Pilger stand noch immer
gelehnt an seinem Stab,
er drückt an seine Lippen
des Mädchens holde Gab.

 

"Wer bist du, junger Pilger?
Kommst du aus fernem Land?
Oder deckt dich bloß zum Scheine
dies friedliche Gewand?"

 

"Mein Schloss, es steht dort unten,
ich führ ein gutes Schwert.
Ich will den Vater rächen,
denn ihn deckt blut'ge Erd.

 

Den Tod hat er empfangen
nicht ehrlich im Gefecht,
drum schwor ich, auszuüben,
streng der Vergeltung Recht."

 

"Ein tückisch Mördereisen
nahm auch den Vater mir:
du siehst des Schmerzes Zeichen
noch am Gewande hier.

 

Er tauchte meine Finger
in seine Wunde ein.
Ich tat den Schwur der Rache
am Haus von Falkenstein."

 

Es zog sein Schwert der Pilger
und reichts der schönen Maid:
"Ich bin der Falkensteiner,
Vollbringe deinen Eid!

 

Lang war der Hass der Väter,
Das Schicksal es gebot:
Sie trafen sich im Forste
und gaben sich den Tod.

 

In Hass sind sie geschieden,
mein Haus mag untergehn;
mein' Rache ist geschwunden,
seitdem ich Dich gesehn!"

 

Dem Mädchen klopfts im Busen,
das Herz ist ihm so schwer.
Es möcht die Tränen bergen
und kann es doch nicht mehr.

 

Sie reicht die Hand dem Jüngling:
"Gott schenk Dir seine Huld!
Lass sühnen uns durch Liebe
der Väter schwere Schuld!

 

Lass am Altar uns sprechen
das heilge, süße Wort:
Die Hand, die wir uns reichen,
die reichen sie sich dort."

 

Und bald nach wenig Tagen
führt er sie zum Altar.
In ihrer Burgkapelle
reicht sie die Hand ihm dar.

 

Und als der Priester segnet,
erhellet sich der Chor:
Zwei weiße Ritter steigen
wie aus der Erd hervor.

 

Sie wallen Arm in Arme
bei süßer Melodie,
und mit den fremden Tönen
im Nu verschwinden sie.

 

Die Braut sank tief erschaudert
an des Geliebten Herz:
Sie schwuren dann noch einmal
sich Treu in Leid und Schmerz.

 

Anonym

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