Es liegt ein Schloss in Österreich,
das ist gar wohl erbauet
von Silber und von rotem Gold,
mit Marmorstein gemauert.

 

Darinnen lag ein junger Knab
auf seinen Hals gefangen
wohl vierzig Klaftern unter der Erd
bei Ottern und bei Schlangen.

 

Sein Vater kam von Rosenberg
wohl vor den Turm gegangen.
"Ach Sohn, herzallerliebster Sohn,
Wie hart liegst du gefangen!"

 

"Ach Vater, liebster Vater mein,
so hart lieg ich gefangen
wohl vierzig Klaftern unter der Erd
bei Ottern und bei Schlangen."

 

Der Vater vor die Herren ging,
bat um des Sohnes Leben:
"Dreihundert Taler geh ich euch,
schenkt meinem Sohn das Leben!"

 

"Dreihundert Taler helfen nicht,
ob Ihr sie schon wollt geben;
euer Sohn trägt eine güldne Kett,
die bringt ihn um sein Leben."

 

"Und trägt er eine güldne Kett,
ist sie doch nicht gestohlen,
ein Jungfräulein hat's ihm verehrt
und teuer anbefohlen."

 

Man brachte den Knaben aus dem Turm,
gab ihm die Sakramente.
"Hilf, reicher Christ, vom Himmel hoch!
es geht mit mir zu Ende."

 

Man brachte den Knaben vors Gericht
in gar geschwinder Eile:
"Ach Meister, lieber Meister mein,
last mir eine kleine Weile!"

 

"Eine kleine Weile lass ich dir nicht,
du möchtest mir entrinnen.
Reicht mir ein seiden Tüchlein her,
dass ich ihm die Augen verbinde.«

 

"Verbindet mir die Augen nicht,
ich muss die Welt noch schauen;
ich sehe sie heut und nimmermehr
mit meinen traurigen Augen."

 

Sein Vater beim Gerichte stund,
sein Herze wollt' ihm brechen:
"Ach Sohn, herzallerliebster Sohn,
den Tod will ich schon rächen."

 

"Ach Vater, liebster Vater mein,
sagt nicht, ihr wollt es rächen,
auf dass sie nicht noch über mich
ein härter Urteil sprechen.

 

Mich dauert ja mein Leben nicht
und auch nicht meine Ehre.
Meine Mutter dauert mich daheim,
die wird weinen also sehre."

 

Es stund kaum an den dritten Tag,
die Engel Gottes winken:
So grabt dem Knaben doch ein Grab,
sonst muss die Stadt versinken.

 

Es stund kaum an ein halbes Jahr,
so ward die Tat gerochen:
Es wurden wohl dreihundert Mann
um's Knaben willen erstochen.

 

Wer hat uns denn dies Lied gemacht
und auch gesungen zugleiche?
Drei schöne Jungfräulein zu Wien,
einer Stadt in Österreiche.

 

Anonym

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